Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Seelsorgerinnen und Seelsorger,
anbei erhalten Sie die Botschaft der Schweizer Bischofskonferenz zum 1. August.
Mit freundlichen Grüssen,
Christina Mönkehues
Christina Mönkehues
Informationsbeauftragte des Bischofsvikariats Deutschfreiburg
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1700 Freiburg
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Die Stimme der Kirche in der Gesellschaft
Botschaft der Schweizer Bischofskonferenz zum 1. August
Ob in der Asylpolitik, zum Schutz des Sonntags oder zur Verteidigung des Lebens von Anfang
bis zum natürlichen Tod: Wenn sich die Bischöfe zu gesellschaftlichen Fragen äussern,
werden sie dafür oft kritisiert. Nicht selten sprechen Politiker der Kirche das Recht ab,
überhaupt öffentlich Stellung zu beziehen. Sollte die Kirche in unserer pluralistischen
Gesellschaft vielleicht besser schweigen? Bischof Charles Morerod, Vizepräsident der
Schweizer Bischofskonferenz, erklärt in seiner Botschaft zum 1. August, warum auch die
Stimme der Kirche(n) in der gesellschaftlichen Debatte unverzichtbar ist.
Soll die Kirche in einer pluralistischen Gesellschaft wie der Schweiz überhaupt öffentlich
Stellung beziehen, oder sollte sie nicht besser schweigen? Diese Frage stellt sich
natürlich allen Kirchen und Religionen, aber wir sprechen hier nur in unserem eigenen
Namen, für die katholische Kirche.
Eine öffentliche Positionierung der Kirche ist nicht auf eine Erklärung der Bischöfe
beschränkt. Sie geht in erster Linie von Menschen aus, die sich von ihrem Glauben
inspirieren lassen. Denn der christliche Glaube muss Konsequenzen haben, sonst wäre er
bedeutungslos. Weil der Christ glaubt, dass Gott die Menschen liebt, ist er aufgefordert,
es gleich zu tun und dies auch jenen gegenüber zu bezeugen, an die sonst niemand denkt.
Unser Verzeihen soll bis zur Liebe gegenüber unseren Feinden führen. Die Präambel unserer
Bundesverfassung ist von diesem evangelischen Geist inspiriert, welche „im Namen Gottes,
des Allmächtigen“ feststellt, „dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der
Schwachen“.
Eine evangelische Haltung war nie selbstverständlich. Die Rache ist spontaner als die
Vergebung und die jede Gesellschaft ist immer in Versuchung, ihre Armen zu vergessen.
Trotzdem sind die Vergebung und die Integration der Schwachen grundlegend für das Gelingen
einer friedvollen, humanen Gesellschaft. Wenn man in die Geschichte schaut und diesem
Aspekt spezielle Beachtung schenkt sieht man, an welchen Punkten das Evangelium unsere
Gesellschaft geprägt hat. Das alltägliche Leben der Christen in unserem Land prägt auch
heute die Welt mit. Jede vom Evangelium inspirierte Geste, ob bewusst oder unbewusst, hat
ihre Wirkung – und ist also in gewisser Weise eine öffentliche, christliche
Positionierung.
Wie eine nationale Studie jüngst festgestellt hat, bewertet ein grosser Teil der Schweizer
Bevölkerung den Beitrag der Kirchen (nicht nur der katholischen Kirche) als positiv,
zumindest im Hinblick auf die Menschen am Rand der Gesellschaft. Allerdings beachtet man
nicht immer, dass dieser Beitrag der Kirchen einen lebendigen Glauben bedingt:
"Das Christentum wird zwar positiv aufgenommen [...], es wird aber nicht mehr von
allen Schweizerinnen und Schweizern als Referenzreligion der Gesellschaft betrachtet.
Dennoch findet eine Mehrheit, die Landeskirchen seien nützlich für sozial Benachteiligte.
Diese soziale Rolle der Kirchen ist allerdings gefährdet, wenn sich immer mehr Menschen
von der Religion distanzieren." (Die Religiosität der Christen in der Schweiz und die
Bedeutung der Kirchen in der heutigen Gesellschaft NFP 58, Themenheft IV, S. 5.)
Die Positionen der Christen sind nicht rein individuell, denn der Mensch ist ein soziales
Wesen und der christliche Glaube integriert diese gemeinschaftliche Dimension. Sicher aber
ist der Beitrag der Christen, im Hinblick auf den Einzelnen oder auf die ganze Kirche,
nicht immer auf der Höhe des Evangeliums. Das beschädigt unsere Glaubwürdigkeit. Die
Kirche hat dies mehrfach eingestanden und um Vergebung gebeten (vor allem im Jubeljahr
2000). Das Zweite Vatikanische Konzil war in dieser Hinsicht radikal:
„Die Gläubigen können an der Entstehung des Atheismus einen erheblichen Anteil haben,
insofern man sagen muß, daß sie durch Vernachlässigung der Glaubenserziehung, durch
mißverständliche Darstellung der Lehre oder auch durch die Mängel ihres religiösen,
sittlichen und gesellschaftlichen Lebens das wahre Antlitz Gottes und der Religion eher
verhüllen als offenbaren.“ (Gaudium et Spes, §19)
Wenn auch das Leben der Gläubigen, das des Klerus natürlich eingeschlossen, oft das
Evangelium verhüllt, darf dies doch kein Grund sein, das Evangelium nicht mehr zu
verkündigen. Im Gegenteil: Wir verkündigen es uns selbst und anderen als Quelle der
Erneuerung, welche uns von Gott geschenkt ist und die wir in Freiheit annehmen dürfen.
Ohne permanente Erneuerung werden unser Glaube und die praktischen Konsequenzen daraus
schwach und sterben schliesslich ab.
Betrachten wir einige Beispiele dafür, was eine christliche Vision des menschlichen Lebens
für die Gesellschaft beitragen kann:
- Der Mensch ist mehr als Materie und eine rein materialistische Sicht reicht
nicht aus zum Glück des Menschen. Im Namen der spirituellen Dimension des Menschen haben
Christen im 20. Jahrhundert den materialistischen Ideologien des Marxismus und des
Faschismus widerstanden.
- Das Gemeinwohl eines Landes wie der ganzen Welt bedingt, dass jeder auf einen
Teil dessen verzichtet, was er besitzen könnte. Das Christentum lädt uns ein, den Egoismus
zu überwinden und erinnert uns daran, dass das gegenwärtige Leben nicht unsere einzige
Perspektive ist.
- Viele unserer Mitbürger haben christliche Wurzeln, woraus sich einige ihre
sozialen Einstellungen erklären. Das Wissen um die Wurzeln hilft uns, unsere Gesellschaft
zu verstehen. Da die Religion in der ganzen Welt eine wichtige Rolle spielt, trägt das
Wissen um die eigenen Wurzeln dazu bei, andere zu verstehen (was sogar in wirtschaftlicher
Sicht nützlich ist).
- 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung sind Ausländer, die teilweise ihrer
Religion sehr verbunden sind. Im Hinblick darauf brauchen wir also einen guten Dialog
zwischen Schweizern und Immigranten. Ein kleines Beispiel: Die Gemeinde Renens (bei
Lausanne) hat ihren Integrationspreis 2012 den katholischen Missionen für die Italiener,
Spanier und Portugiesen verliehen.
- Eine religiöse Sichtweise hilft auch im Dialog mit anderen Religionen: Viele
Muslime befürchten nicht eine christliche Gesellschaft, sondern eine Gesellschaft, die der
Religion gar keinen Platz einräumt.
Wenn Bischöfe bisweilen zu bestimmten gesellschaftlichen Themen öffentlich Stellung
beziehen, tun sie das nicht nur gegenüber den katholischen Gläubigen, sondern sie bieten
die christliche Sichtweise allen an. Wenn wir dies tun, hören wir auch auf andere
Positionen in der Hoffnung, ebenfalls wohlwollend gehört zu werden, was Voraussetzung für
eine demokratische Gesellschaft ist.
Und was immer geschieht, erinnern wir uns an den Schrei des Apostels Paulus: „Weh mir,
wenn ich das Evangelium nicht verkündigte.“ (1. Brief an die Korinther, Kapitel 9, Vers
16)
Charles Morerod, Bischof der Diözese Lausanne-Genf-Freiburg und Vizepräsident der
Schweizer Bischofskonferenz, im Namen der Schweizer Bischöfe
Für Fragen steht Ihnen gerne zur Verfügung:
Simon Spengler, Informationsbeauftragter der Schweizer Bischofskonferenz,
simon.spengler@bischoefe.ch<mailto:simon.spengler@bischoefe.ch> 079 667 27 75