Tag der offenen Tür im Point d’Ancrage in Freiburg
„Alles, was man gibt, bekommt man hundertfach zurück“
Freiburg, 16.06.2013. Der „Point d’Ancrage“ im Africanum in Freiburg ist viel mehr als ein
wöchentlicher Mittagstisch für Asylbewerber und Sans-Papiers. Beratung, Begleitung und
gemeinsames Lernen haben hier ihren Platz. Eine Umsetzung des Mottos des heutigen
Flüchtlingssonntags „Gemeinsam schaffen wir es“ liess sich am letzten Mittwoch beim Tag
der Offenen Tür erleben – gleichzeitig gab es aber auch kritische Töne zum Resultat der
Volksabstimmung zur Asylgesetzgebung.
„Beim Drachensteigenlassen vergisst man alle Probleme – gerade beim jährlichen
Drachenfest, das ganz besonders für die Kinder ist. An diesem Tag sind wir vereint in
Frieden und Freude“, erläutert Khadem Ali Rahimi aus Afghanistan den etwa 100 Gästen beim
Tag der Offenen Tür im Point d’Ancrage. Der Alltag in seinem Heimatland steht dazu in
starkem Kontrast: „Explosionen, Entführungen und Zerstörung – die Leute können das kaum
mehr ertragen.“ Brigitte van der Straten ist stolz auf die jungen Männer, die diese
Tradition ihres Landes in einem Vortrag vorgestellt haben. Sie gibt als Freiwillige
Französischkurse im Point d’Ancrage und hat mit ihnen den Vortrag ausgearbeitet und
geprobt. „Für diese jungen Männer ist es ein persönlicher Erfolg vor einer Gruppe zu
stehen und öffentlich in einer fremden Sprache zu sprechen.“ Dann steigen einige
selbstgebastelte Drachen in den Himmel auf. „Das richtige Papier haben wir nicht finden
können – dann haben wir einfach Plastik genommen. Das funktioniert auch“, erklärt Younes
Jafari.
Das Angebot in Zahlen
Die Zahlen aus dem Jahresbericht 2012 des Point d’Ancrage sind beeindruckend. Beim
wöchentlichen Mittagstisch, zu dem jeden Mittwoch 70–100 Personen kommen, wurden im
letzten Jahr 3500 Mahlzeiten verteilt. 500 Beratungsgespräche wurden wahrgenommen, 400
Hausbesuche oder Besuche in Zentren gemacht und 250 Behördengänge mit Flüchtlingen
absolviert. Dazu kommen noch Gesprächsgruppen auf Französisch, Hausaufgabenbetreuung für
die Kinder und Veranstaltungen zum Thema Gesundheitsvorsorge, die die 27 Helfer Menschen
aus 26 Ländern anbieten. „Man kann hier menschliche Wärme und Geschwisterlichkeit
erleben“, betont Brigitte van der Straten. „Und alles was man gibt, bekommt man
hundertfach zurück.“
Die Gemeinschaft ist wichtig – gerade wenn man Familie, Freunde und alles Bekannte in der
Heimat zurückgelassen hat. „Niemand würde das alles verlassen, wenn es in der Heimat eine
Chance gäbe“, so Younes Jafari, ein junger Afghane, der mit seiner Familie in Pakistan
lebte. Über den Iran, die Türkei und Italien kam er in die Schweiz – erst nach Basel und
dann nach Plasselb. Seit zwei Jahren wartet er nun auf die Entscheidung, ob sein
Asylantrag bewilligt wird. Die Sehnsucht nach einem Zuhause und einem „Ankommen“ spiegelt
sich auch im Projekt von einigen Kindern wider, die mit dem Freiwilligen Alain Guillez,
für den Anlass ein grosses Haus aus Pappkartons gebaut haben.
Kritische Stimmen
Heiss diskutiert werden an diesem Tag vor allem die Resultate der Volksabstimmung zur
Asylgesetzgebung. „Ich bin konsterniert und traurig“, so Pater Claude Maillard, der für
die Animation und die Aussenbeziehungen des Zentrums verantwortlich ist. Besonders
bedauert er, dass keine Asylanträge mehr auf Schweizer Botschaften gestellt werden können.
Auch wünschte er sich, dass die Entscheidungen zu Asylverfahren transparenter wären und
Kompetenzträger aus der Bevölkerung bei der Entscheidungsfindung beteiligt würden. Pater
Jean-Pierre Barbery, der Hauptverantwortliche des Point d‘Ancrage, sieht gerade in der
Schaffung von Bundeszentren für Asylbewerber und dem Verschwinden von kantonalen Zentren
eine Gefahr: „So eine reiche Erfahrung, wie wir sie hier haben, wird dann kaum mehr
möglich sein.“ Mit den neuerlichen Änderungen der Gesetzgebung sei die wahre Frage, in
welcher Welt man leben möchte: „Wir bringen uns um den Reichtum und die Fülle anderer
Kulturen, wir verlieren Menschlichkeit und die Möglichkeit, Menschen aus aller Welt
kennenzulernen, bis wir uns nur noch unter Schweizern wiederfinden.“
Geschichte
Der Point d’Ancrage ist auf das Engagement einer Gruppe gegründet, die im Jahre 2001
Sans-Papiers unterstützte, die Kirchenasyl in St. Paul im Schönberg in Freiburg erhalten
hatten. 2008 wurde der Point d’Ancrage im Africanum bei den Weissen Vätern eröffnet und
wird offiziell von der katholischen wie reformierten Kirche anerkannt. Finanziert wird das
Projekt durch Spenden, Beiträge von Ordensgemeinschaften sowie katholischen und
reformierten Pfarreien, Mitgliederbeiträgen des Vereins Point d’Ancrage und der
katholischen kirchlichen Körperschaft des Kantons Freiburg (kkK).
Christina Mönkehues
Bild: Junge Männer aus Afghanistan mit ihrer Lehrerin Brigitte van der Straten
Weitere Informationen:
P. Claude Maillard
c.maillard(a)africanum.ch
077 418 75 07
________________________________
Christina Mönkehues
Informationsbeauftragte des Bischofsvikariats Deutschfreiburg
Rue de la Grand-Fontaine 4
1700 Freiburg
026 535 38 05
076 786 03 56
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