kath.ch Medienspiegel – 06.07.2015, 08:02

Verschmähte päpstliche Sommerresidenz

Von Andrea Spalinger, Rom. Seit Jahrhunderten verbringen die Päpste die heissesten Wochen des Jahres in ihrer Sommerresidenz in Castel Gandolfo. Der Ort in den Albaner Bergen südlich von Rom wurde wegen seines milden Klimas bereits von den römischen Kaisern geschätzt. Auf dem Grundstück des von Urban III. 1624 erbauten Papstpalastes stand einst eine Villa von Kaiser Domitian. Papst Benedikt XVI. liebte die Frische und die Ruhe dort und besuchte Castel Gandolfo während seines Pontifikatssehr häufig. Er schrieb hier Bücher und Enzykliken und empfing hohe Staatsgäste. Nach seinem Amtsverzicht im Februar 2013 zog er sich zudem über zwei Monate hierhin zurück, bevor er in seine Altersresidenz in einem Kloster im Vatikan übersiedelte. Doch Benedikts Nachfolger Franziskus denkt gar nicht daran, in die Sommerfrische zu gehen. Er hat Castel Gandolfo erst wenige Male besucht und noch nie dort übernachtet. Dem Argentinier ist Luxus und alles, was den Vatikan wie einen Fürstenstaat aussehen lässt, zuwider. Die Kirche sollsich unter ihm darauf konzentrieren, den Armen zu helfen. Abgesehen davon macht Franziskus sowieso nie Ferien. Seit 1975 hat er nach eigenen Angaben keine Auszeit mehr genommen. Anstatt die Beine hochzulegen und aufs Meer zu blicken, reist der 78-Jährige nun nach Ecuador, Bolivien und Paraguay. Die Palastanlage und ihre prächtigen Barockgärten erstrecken sich über 55 Hektaren. Letztes Jahr hat Franziskus die Gärten für Besucher öffnen lassen. Nun soll er gar darüber nachdenken, die päpstliche Residenz in ein Museum zu verwandeln. Im Vatikan formiert sich jedoch Widerstand. Was, wenn künftige Päpste diese wieder privat nutzen möchten? Glücklich über eine Öffnung wären hingegen die Bewohner des gleichnamigen Städtchens, die sich bitter über das Ausbleiben der Touristen in den letzten zwei Jahren beklagen. Sie freuen sich auch darüber, dass Franziskus seinem Vorgänger angeboten hat, den Sommer in Castel Gandolfo zu verbringen, und Benedikt dem Ort wieder etwas von seinem alten Glanz verleihen wird.

Quelle: Neue Zürcher Zeitung

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